Palmarum: Konfirmation!

Palmarum: Konfirmation!

Palmarum: Konfirmation!

# Berichte aus dem Gemeindeleben

Palmarum: Konfirmation!

"Es ist nicht mehr zeitgemäß, Konfirmation eine Woche vor Ostern zu feiern! Das ist ein Überbleibsel alter Zeit, als die 14-jährigen zu Ostern 'aus der Schule kamen'!" So oder ähnlich reden viele, und dann betonen sie, dass das ja nun wirklich langsam Zeit wird, diese Praxis zu ändern, denn dass die Schule für einen 14-jährigen zu Ostern endete, ist tatsächlich schon über 80 Jahre her. Und überhaupt: Für die Kinder ist es doch viel schöner, in den späten Frühling oder den Frühsommer zu gehen. Da scheint die Sonne bei ihrer Konfirmationsfeier, wogegen es zu Palmarum hin und wieder sogar noch schneien kann. 

Viele Gemeinden sind dieser Argumentation längst erlegen und haben den Konfirmationstermin, der vor über 80 Jahren für alle Gemeinden auf Palmarum lag, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Auch in unserer Region findet man kaum noch eine Gemeinde, die Palmarum konfirmiert. Fast alle haben sie verschoben auf einen späteren Zeitpunkt. 

Es lohnt ein Blick zurück. Warum hat man damals eigentlich damit angefangen, den Konfirmationstermin zu verschieben? Und da müssen wir weit zurück, in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die DDR war noch keine 10 Jahre alt, als sie damit begann, die Einflüsse des "Klassenfeindes" so zu fürchten, dass man diese Einflüsse mit allen Mitteln bekämpfte. Es war die Zeit, als die Antennen von den Häusern gerissen wurden, als auch die Kirche immer mehr in diesen Fokus geriet. Die Jugendarbeit der Kirche, Junge Gemeinden im Besonderen, wurden bespitzelt, verboten, ihre Treffen erschwert. Sie passten nicht in das Bild des klassenbewusst Heranwachsenden, der sein Leben nach dem vorgegebenen sozialistischen Menschenbild ausrichtete. Dieses sozialistische Menschenbild wurde vor allem im Ritual der Jugendweihe beschworen und gefeiert. Und mit der Jugendweihe wagte man den Generalangriff auf die Konfirmation: Man legte den Jugendweihe-Termin bewusst auf den Sonntag vor Ostern. Weil man wusste, dass sich viele Jugendliche und ihre Familien dann entscheiden mussten. Es war nämlich damals gängige Praxis, dass man beides machte: Palmarum wird konfirmiert, im Mai gibt's dann die Jugendweihe. Und man wusste auch: wenn man sich entscheiden muss, dann wird die Entscheidung zu einem sehr hohen Prozentsatz pro Jugendweihe ausfallen, denn wer sich hier ausschloss, hatte nichts zu lachen in der Schule, hatte Repressalien zu befürchten, konnte nicht die Oberschule besuchen, von einem Studium ganz zu schweigen.

Die Gemeinden reagierten unterschiedlich. Die Verlegung des Konfirmationstermins hatte ihren Ursprung in dieser Zeit. Aber man begann auch damit, in der 9. Klasse zu konfirmieren, damit man diesem Dilemma aus dem Weg ging. Begründet wurde dieser Schritt auch damit, dass die Jugendlichen im Alter von 15 Jahren ja schon ein deutliches Stück reifer sind für eine persönliche Entscheidung als mit 14. Wohl wissend, dass dies ein vorgeschobener Grund war, um sich dem Konflikt nicht auszusetzen. Aber all das half nichts. 1954 brachen die Konfirmationszahlen ein. Die Partei- und Staatsführung übte massiven Druck auf die Familien aus. Die Jugendweihe wurde zur gesellschaftlichen Normalität. Christen wurden zu Außenseitern. 

Eine Handvoll Gemeinden nahm damals die Herausforderung an, indem sie nicht von dem ursprünglichen Termin Palmarum abwich. Sie waren der Meinung, dass Nachfolge Jesu Christi eine bewusste Entscheidung ist, die jegliche Teilnahme an dezidiert atheistischen Veranstaltungen wie der Jugendweihe ausschließt. Sie blieben bei dem Termin der Konfirmation, auch wenn sie dabei eine hohe Zahl von Mitgliedern verlieren würden. Das taten sie dann auch, wobei, wie die Geschichte zeigt, es den anderen Gemeinden, die den Termin verschoben, auch nicht besser erging. 

Dass die Reichenbacher Gemeinden (damals waren es noch zwei) sich bewusst für das Festhalten an Palmarum entschieden haben, ist für mich auch ein Festhalten am Bekenntnis gegen alle Bedrängung von außen. Mit Stolz und Dankbarkeit denke ich an diesen Abschnitt der Geschichte der Reichenbacher Gemeinden zurück und würde mir wünschen, dass dieses Geschichtsbewusstsein noch lange Grundlage der Entscheidungen in der Diskussion um den Konfirmationstermin bleibt.

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